Biblisches Wort



„Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte.“ (1.Kor 7,23)

Der Vers stammt aus einem Brief des Paulus an die christliche Gemeinde in der Hafenstadt Korinth. Sie bestand aus sehr unterschiedlichen Menschen: Juden und Griechen, Sklaven und Freien, Männer und Frauen und in ihren Reihen fanden sich eben auch zahlreiche Sklaven. Warum wurden Menschen damals zu Sklaven? Einige verkauften sich selbst in die Sklaverei, um Schulden abzuzahlen. Andere wurden von einer Mutter geboren, die bereits Sklavin war und ihnen den Status vererbte. Sklavenhändler entführten Kinder oder Erwachsene und verkauften sie, wie auch Kriegsgefangene zu Sklaven gemacht wurden. Zwar berichten antike Quellen von Sklaven, die im Haushalt oder als Landarbeiter, Finanzverwalter, Lehrer oder als Sekretäre verantwortungsvollen Tätigkeiten nachgingen. Ihnen könnte es besser gegangen sein als Tagelöhnern. Andere dagegen mussten in Bergwerken gesundheitsschädliche Arbeit verrichten, wurden sexuell ausgebeutet oder fanden als blutiges Vorprogramm in der Arena ein tödliches Ende. Manche hatten die Aussicht auf Freilassung, andere wurden nach vielen Jahren „als altes Gerümpel ausrangiert“, wie der griechische Schriftsteller Plutarch es aufgeschrieben hat.

Ob es einem Sklaven oder einer Sklavin gut oder schlecht erging, hing zentral von ihrem „Herrn“ ab. Genau hier setzen die Gedanken des Paulus an. Im Hintergrund steht die Frage: Wer ist der Herr der korinthischen Christen und Christinnen, seien sie nun Sklaven, Freigelassene oder Freie? Ihr sozialer Status war ziemlich unterschiedlich. Aber alle sind nach christlicher Erkenntnis „einer in Christus Jesus“. Die gesellschaftlichen Unterschiede spielen in der Gemeinde – erst recht vor Gott – keine Rolle. Für diese Befreiung hat Christus sich selbst in die Rolle eines Sklaven begeben und ist am Kreuz für alle gestorben. Soweit die Gedanken des Paulus.

Ob die Metapher von „teuer erkauft worden“ im Jahr 2020 eine so ungeheuer verständliche ist, lässt sich natürlich fragen. Warum muss es unbedingt die Sprache des Geldes sein, die eine Liebesbeziehung ausdrücken soll? Passen Kapitalismus und Christentum wirklich so gut zueinander? Die Frage drängt sich mir vor dem Hintergrund all der Zerstörungen auf, die unser Wirtschaftssystem bereits angerichtet hat, seien es Klimawandel, Umweltzerstörung, moderne Sklaverei in asiatischen Ländern – nur damit in Europa Menschen billige T-Shirts erwerben können, beispielsweise.

Nach dem "Ihr seid teuer erkauft" müssen wir aber auch den Anspruch hören: "Werdet also nicht der Menschen Knechte". Diese Mahnung richtet sich heute an uns freie Menschen in einer freien Gesellschaft, damit wir unsere Freiheit verantwortungsvoll nutzen. Denn die Gefahr ist groß, dass unsere in sich guten Sehnsüchte und Wünsche missbraucht werden und wir uns verleiten lassen, im Widerspruch zu unserer Würde und unserem Gewissen zu handeln. Durch Menschen, die Lügen verbreiten, um uns gegeneinander auf zu hetzen zum Beispiel. Die Menschen, die solches tun, möchten uns wieder in Bindungen und Abhängigkeiten geraten lassen. Je größer die Freiheit, desto größer die Verantwortung, für uns selbst und andere. Werden wir nicht der Menschen Knechte! Um Gottes Willen und zu unserem Glück. Bleiben wir also wachsam!

Ihr Alexander Tschernig